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Kalk

Kalk

In jüngster Zeit ist ein wachsendes Interesse an traditionellen Kalktechniken zu beobachten und dies nicht ausschliesslich im historischen Kontext.

Kalk: Material trifft Handwerk

In diesem Essay beleuchten wir entlang der Exponate der Mustersammlung „Architektur Oberflächen: AO“  vom Haus der Farbe sowohl technische Aspekte als auch gestalterische Potenziale von diesem vielfältigen Material, das als Bindemittel in Mörtel, Putz, Glätten sowie Anstrichen zum Einsatz kommen kann. Dies ist denn auch eine wichtige Eigenschaft von Kalk, nämlich dass es ermöglicht, vom Mauerwerk über den Untergrund (Putz) bis zum Anstrich ein Materialkontinuum zu gewährleisten, was eine physikalische und chemische Verzahnung der verschiedenen Schichten zur Folge hat. Ausserdem bietet jede einzelne Schicht vielseitige Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf Oberflächenbeschaffenheit und Farbigkeit.
Dieses Potenzial ist gleichzeitig die Herausforderung in der Ausführung, die ein materialspezifisches Erfahrungswissen und handwerkliche Fertigkeiten verlangen, damit eine fachgerechte Verarbeitung sicher gestellt ist. 

Kalk als Bindemittel für Putze

Unterschiede in der Bindemittelqualität entstehen bereits aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzungen der Rohstoffe. Gesteine mit hohen Calciumcarbonatanteilen bilden nach dem Brennen und Löschen Luftkalke, also Kalkbindemittel, die durch Carbonatisierung an der Luft chemisch abbinden. Werden hingegen tonhaltige Kalksteine (Mergel) durch den gleichen Verarbeitungsprozess geführt, entstehen latent hydraulische natürliche Kalke. Nicht nur die technischen Eigenschaften sind anders (hydraulische Bindemittel härten auch im Nassbereich, sind zäher und wiederstandfähiger), sondern die zwei unterschiedlichen Typen zeigen auch eine andere Farbigkeit: Luftkalke sind weisslich, hydraulische Kalke hingegen ocker-gräulich .

Ob als Mörtel oder Putz, kann doch Luftkalk durch die gezielte Zugabe von Sanden und/oder anderen Zuschlagstoffen einen hydraulischen Charakter erhalten. Vulkanische Gesteine (Puzzolane), Trass, Cocciopesto (zerschlagener Backstein) sind einige der möglichen Zuschläge die dafür eingesetzt werden können. Dabei wird auch die Farbigkeit des Putzes gesteuert. So können bereits durch gezielte Wahl von Bindemitteltypus und Zuschläge, Edelputze erzielt werden, die eine breite Palette an nuancierten farbigen Grautönen zeigen.

Kalk

Gehen wir davon aus, dass in der Bautradition grundsätzlich lokale Materialien zu Baustoffe verarbeitet und eingesetzt wurden, wird es klar, dass das spezifische Lokalkolorit eines Mauerwerks mit den am Ort vorhandenen Rohstoffen wie Natursteine, Kalk (für die Herstellung vom Bindemittel) und lokale Sande korrespondiert.

Sgraffito

Sgraffito ist eine dekorative Putztechnik die bereits in der Renaissance eingesetzt wurde und auf einem komplexen Schichtenaufbau basiert. Der Putz wird in mehreren Schichten appliziert und ist in der Regel durch Sande, Zuschläge und Pigmente dunkel gefärbt. Beim Schwarzputz erreicht man die beinahe schwarze Tonalität durch Einsatz von Holzkohle, Hochhofenschlacke und schwarze Pigmente. In einem nass in nass Verfahren werden über die Putzschicht mehrere Kalkschichten getüncht, die danach bis zum Wiedererscheinen des Putzes partiell zurückgekratzt werden (Sgraffito, aus dem Italienisch graffiare= kratzen). 

Es entstehen somit Ornamente und Zeichnungen in klar abgegrenzten hell-dunkel Kontrasten. Die Kratztechnik lehnt sich sowohl an der Zeichnung wie auch an Gravur-Techniken (Radierung) für die Ausführung von Schraffuren und ist somit eher graphisch als malerisch.

Kalk

Wird auf die Kalktünche verzichtet und „nur“ mit einem eingefärbten Putz gearbeitet ist es doch möglich feine Differenzierungen zwischen geglätteter und gekratzter Oberfläche zu erreichen.

Kalk glätten

Vor Allem im Innenbereich sind stark geglättete Kalkoberflächen wie Marmorino, Stucco veneziano Stuccolustro  oder Stuccolucido zu finden. Durch die starke Verdichtung der Oberfläche entstehen glatte bis spiegelglatte Oberflächen, die mit dem einfallenden Licht ein differenziertes Reflexions- und Farbenspiel erzeugen. Dazu kommen die feine Haptik und die wertige Anmutung der bearbeiteten Oberfläche, die den gesamten Raum nobilitieren. Die naturfarbigen (Marmorino) oder durchgefärbten Putze mit Zuschlägen von sehr feinen Sanden und Steinmehle werden mehrschichtig appliziert und kontinuierlich mit der Glättekelle (venezianische Kelle) verdichtet.

Kalk

Beim Stuccolustro werden sogar durchgefärbte Kalkseifen als abschliessende Veredelung darauf  appliziert und somit ein noch tieferes Farbergebnis erreicht. Die Stuccolucido-Technik bietet die Möglichkeit Hochglanz polierte Steine nach zu ahnen durch einen sehr aufwendigen Schichtenaufbau nass in nass und schlussendliche Politur der Marmorimitation al fresco. Die Technik wurde unter Anderem von Tessiner Handwerker in ganz Europa und bis auf Korsika gebrach.

Kalk Schlämmen und -Anstriche

Werden dem Kalkbrei feine Sande oder Steinmehle, sowie Pigmente beigemischt und diese mit einer Bürste auf einen Verputz appliziert, wird dieses Material als Schlämme definiert. Die leicht raue Oberfläche und die klar lesbaren Werkzeugspuren sind ein Merkmal dieser Technik. Ob zur Überbrückung von Putzrissen, zum Füllen von Unebenheiten wie auch zur eigenständigen Oberfläche besitzt diese Materialschicht immer einen Charakter zwischen Verputz und Anstrich und dient sowohl technischen, ästhetischen wie kosmetischen Zwecken.

Wird der Kalkbrei verdünnt (Kalkmilch) und dabei mit Pigmenten gemischt entsteht eine Kalkfarbe, die in der Regel in mehrschichtigem Auftrag mit der Bürste appliziert wird.

Heutige Kalk Bindemittel werden fein dispergiert und erlangen somit eine deutlich höhere Bindekraft als frühere. Dies ermöglicht das Herstellen von Kalkfarben, die eine grössere Menge an Pigmenten binden können und konsequenterweise sattere Farbtöne zeigen. Die Palette wird auf der anderen Seite beschränkt durch die Tatsache, dass beim Kalk nur Pigmente verwendet werden können, die alkalibeständig sind, d.h. anorganische, seien sie natürlich oder künstlich.

Beim echten Fresko besteht die Farbmischung nur aus Pigmenten und Sinterwasser. Dieses sozusagen gefärbte Wasser wird mit Naturhaarpinseln auf dem frischen Putz (al fresco > Fresko) in mehreren dünnen Schichten aufgetragen. Der Kalk im Verputz dient in diesem Fall als Bindemittel und bettet die einzelnen Pigmentkörner in der Putzmatrix ein. Es entstehen dabei Farbschichten mit hoher Brillanz und Farbtiefe, die mit der verputzten Oberfläche eine kohärente Einheit bilden.

Sumpfkalk und Kasein (Käseeiweiss) können zu einem extrem starken Leim (historisch eingesetzt als  kalter Tischlerleim) vermengt werden. Stark verdünnt bildet dies die Grundlage für die Kalkkaseinfarbe, die sowohl auf Holzuntergründen wie auch bei Verputzen verwendet werden kann. Sie ist dementsprechend historisch als Anstrich für Fachwerke auf beiden Untergründe zu finden.

Kalk

Die Variabilität des Materials Kalk in seinen verschiedenen Anwendungen eröffnet eine weite Palette an Gestaltungsmöglichkeiten, die nicht nur Nostalgiker bewegen kann, sondern zu neuen Entwürfe und zeitgenössischen Interpretationen führen kann. Beispiel dafür ist das Sgraffito-Projekt bei der Katholischen Kirche in Horgen.

Text
Matteo Laffranchi

Bilder
Haus der Farbe


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